Unter dem Flammenbaum

Unter dem Flammenbaum

Wo meine Seele ihr Nest hatte.
Afrika – das sind die Klänge und Düfte der Kindheit, die Nicola Vollkommer nie vergessen wird. Das ist die Geschichte einer englisch-deutschen Familie, die in den 60er Jahren zwischen die Fronten eines Bürgerkriegs geriet. Vollkommer erzählt von ihrem Vater, der angesichts des Leides nicht floh, sondern dazu beitrug, dass zahllosen Afrikanern das Leben gerettet wurde. Von ihrer Mutter, die ihren Kindern Lebensfreude und Glaubenszuversicht weitergab. Von den Begegnungen mit Missionaren und von ihrem größten Trauma: der Trennung von Afrika und dem Leben in einem englischen Internat.

ISBN: 978-3-7751-5515-1
Art.-Nr.: 395515000
Verlag: SCM Hänssler
5. Auflage 2021
Paperback, 288 S.
13,5 x 20,5 cm

 
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"Bescherung unter der Palme" – Interview bei ERF Plus

Buchauszüge

Rezensionen

 

Palzwitz – unvergängliche Heimat

(Nicola Vollkommer, März 2001, gedruckt in „Die heile Welt einer Familie, Ihr Totalabsturz und Neubeginn. Ein Bericht in Fragmenten“, von Dr. Ernst-Hermann Taucher, Bruder von Hella Sperry geb. Taucher)

Sag bitte nicht „Ihr versteht es nicht“
wenn ich dich frage, warum dieser abwesende Blick in die Ferne,
warum der Hauch eines feuchten Schimmerns in Augen
die gelernt haben, nicht zu weinen,
warum das Zittern der Hände
die gelernt haben, angestauten Schmerz durch Pflichterfüllung und Fließ
ins Unterbewusste zu verdrängen.

Sag bitte nicht „Ihr ward nicht dabei“
wenn ich frage, ob Du wieder träumst …
von der Idylle eines verlorenen Paradieses,
von der unterweisenden Stimme – manchmal gütig, manchmal streng – eines Hausherrn,
der für dich „Vati“ hieß,
sicher und souverän-verwaltend
im Besitztum eines seit Generation ungestörten Erbes,
vom Wiehern der Pferde auf friedlichen Sommerwiesen
vom unwiderstehlichn Duft der frisch gemähten Felder,
vom Kastanienbaum in seiner frühsommerlichen Pracht,
vom Rufen der Arbeiter, vom Spielen der Kinder bei Einbruch des Abends –
von Palzwitz, Symbol der gereiften Beständigkeit eines tief verwurzelten Geschlechts.

Sag bitte nicht „Ihr könnt es Euch nicht vorstellen“
wenn ich so gerne mit dir zusammen
nach dem herben Meeresgeschmack in der Luft suchen würde,
nach dem kühl-feuchten Geruch der frisch gedrehten Erde
vom herbstlichen Nebel umhüllt,
nach der üppigen, schwerbeladenen Euphorie
der Obstwiesen zur Erntezeit..
hörst Du noch die stampfenden Hufe der Pferde in der Scheune im Winter,
spürst Du den Klang der Weihnachtslieder am dunklen Abend beim Toben
der Winterstürme…
können wir nicht Palzwitz gemeinsam suchen?

Und dann – mitten in die unzerstörbare Idylle – auch den will ich hören –
den fernen Klang der marschierenden Truppen,
gierig nach Rache.
Besessenheit.
Schicksalsschläge millionenfach wiederholt.
Die Trennung, die Flucht, Luftalarm, kreischende Flieger,
herzzerreißendes Heimweh,
schlaflose, durchschluchzte Nächte,
die Sorge um die Zurückgebliebenen,
die Überraschung, das Inferno überlebt zu haben
verbunden mit dem Wunsch zu sterben.
Aus einer Flucht wird eine Ewigkeit.
Die blühende Landschaft – das hart erarbeitet Kunstwerk von Jahrhunderten –
im Nu zertreten und verwüstet.

Gerüchte des Grauens,
umherirrende Frauen und Kinder,
das erbärmliche Klagen der zerrissenen Unschuld,
sterbende Kinder an der trockenen Brust.
Blutgetränkte Leichen der Männer
die unsere Väter und Großväter werden sollten,
tausendfach, millionenfach, die Blüte der Jugend
erbarmungslos, grausam geschlachtet.

Die geliebte Heimat – Schauplatz für menschlichen Wahnsinn
Amok gelaufen,
unkontrollierte Bestialität.
Wieviel Leid kann eine menschliche Seele denn ertragen?

Mutter, fühlen kann ich es nicht, aber ahnen kann ich es sehr wohl –
genug sogar, um für dich einige der Tränen zu weinen,
die Du so tapfer zurückhältst.

Wie oberflächlich und seicht muss dir unsere Fassade
der verweichlichten Bürgerlichkeit vorkommen!
Eine Kultur erstickt in den Spielsachen und der billigen Unterhaltung
eines zu schnell erworbenen Reichtums,
ohne Wurzel, ohne Überlieferung,
die Verzicht und Leid,
und deshalb auch Freude und Dankbarkeit, nicht kennt.
Die Langeweile der Mittelmäßigkeit.
Ist das die Folter, die schlimmer ist als alles andere?
Von einem Alptraum in den nächsten?

Deshalb muss Palzwitz weiterleben, liebe Mutter,
mit all seinen Träumen, seiner klirrenden Winterkälte,
seinen überirdisch-strahlenden Herbstfarben,
seinen Sommerdüften,
seinen christlichen Tugenden
vererbt von Generation zu Generation.
Denn war Palzwitz nicht viel mehr als ein vergänglicher Ort,
hatte es nicht eine Seele,
die weiterlebt,
lange nachdem die alten Mauern zerbröckeln,
die Wiesen und Gärten verwildern, die lachenden Kinderstimmen verhallen?
Eine Seele verwurzelt in der reich belohnten Gottesfurcht der Väter,
die einen Hauch der Ewigkeit in sich trägt?

Sag also nicht in deiner Verbitterung
„Ihr könnt es nicht verstehen“.
Sorge Du bitte dafür, dass wir –
dass auch unsere Kinder –
es verstehen.

(N.Vollkommer)

 

In memory of Hella Sperry (nee Taucher)

(Roy Sperry, nach dem Tod seiner Frau Hella, in einem Dankesbrief an Freunde und Verwandten, die Hella nahestanden):

„With the passing of time and with most of my life behind me, I find myself reflecting on the many wonderful ways God has been pleased to bless me. For thrity years or more, that could largely be summed up in one word: „Hella“. We met at a Christmas pary and I have reason to believe that our hostess had invited both of us with a long-term motive in view! But how could one not be attracted to such a pretty girl, with an infectious, sparkling personality?

My personal life had long been impacted by a spiritual journey on which I had embarked, when as a teenager, I had come to understand that God had an incredible gift on offer. It was not a dry, formalized religion but rather a life-changing relationship with Jesus Christ. This altered everything for me, and continues to do so to this day. I believe you are aware of this.

As I learnt more about Hella’s family situation, I was impressed by the God-fearing background, with values of honesty, integrity and duty. Soon after we met, Hella attended a Billy Graham meeting and heard the gospel of Jesus christ explained in a new way. She experienced no difficulty in surrendering her life to Christ. That launched a love affair with Jesus which continued until her life ended.

Together, Hella and I decided to fashion our lives on three basic principles. Firstly, God should take the primary place in every aspect of our lives, which in turn, bound us together securely. Secondly, this commitment to God would, we believed, safeguard our love for and protection of our family. Thirdly, we had the attitude that God had placed us on this planet to make a difference for good, where possible, to the many varied and diverse people whom we might encounter along life’s way. Hella was my example, as she followed as best she knew how, these priorities. Her life embodied the concept of service for others, as she impacted many people with the love her faith engendered. It was always other folk first, herself last. I believe the Bible refers to it as a „servant spirit“.

This was clearly reflected during our African years, when she immersed herself in the local scene, even going to the trouble of learning their language. Our home out there was always a busy place, our door open to welcome all and sundry, black or white. It was certainly a colourful life and never boring, never predictable!

Back home here in Leicester, her unchanging instincts remained the same, particularly with regard to her activities among the children and young people in our village. The fruit of those years remains to this day, in the influence she had on young lives in their formative development. ….

I hope I have not bored you with my ramblings, but I am trying to describe the way my life has been, through the goodness of God, so greatly blessed by the impact Hella had over the years. Her lasting legacy is also evidenced in the lives of Tanya, Nicola and Andrea, who with thier husbands and their children, are all seeking to emulate th qualities Hella so beautifully displayed.

My earnest wish is that the deep feelings of my heart, expressed as best I know how, come through to you, in the spirit in which I have written them.“

 

PLEASE TELL HER (Nicola Vollkommer/Sperry, Frühjahr 1993)

Dear Lord.

Please tell her all the things I forgot to say. She left so quickly.
Simply that I’m aching for her.
And „thanks“ for the golden ring, but I’d rather have HER.
And that the children are fine and miss her,
and what would she advise about the thumb-sucking,
and that the stretch-suit didn’t fit, and I gave away the cardigan I was knitting for her.

Oh, and please tell her
I won’t forget Africa or writing to the Aunts and Uncles.
And I’ll keep up the piano-playing
even though, now that she’s no longer here
there’s nothing left to play.
And how much I miss and need her
And that she would be pleased with how I did the sitting-room
And that I’m sorry for being so selfish
That she was so often right and that she did me good.

When she first went away she gave me a bottle of talcum-powder
And came back again.
The next time she wrote a poem and a letter
And came back again.
This time, no talcum-powder, no poem and no coming back again.
Tell her it hurts.
Oh, and she’ll be interested that the Berlin Wall came down
And that you can visit Palzwitz now.
And ofcourse the children can speak both languages,
Tell her some of the funny things they say,
And make her laugh.

And thank her from me, thank her for everything.
Tell her not to worry,
Somehow I’ll manage, even without her.
I’ll continue to seek the Lord – where else can I go?
And I’ll continue to cry because Jesus had to die,
And I’ll try to cheer up others who are sad.
And He’ll look after us, I’m sure.
Tell her I’ll have Him to run to when I would have needed her.
When I make a fool of myself,
When the arrogant and superior mock and scorn in this ice-cold society of ours,
When I do and say everything wrong.
He’ll be gentle and laugh like she did.
Maybe if I do something well, He will be proud, like she was.

She would like the embroidery and window pictures,
Perhaps you could describe to her how they turned out.
She’ll be glad the baby went well this time –
She would have been the first to hear all about it.
You see, she would have wanted to know, every detail of the birth.

Oh, and I would have sent her the Christmas songs I wrote.
She would have liked the grumbly camel and the shepherds and the singing children,
would have told everyone about it until they were bored.
And tell her I’m still a coward but try to be brave,
Still worry meaninglessly like about exams,
Still don’t seem to fit in anywhere.
But I’ll be OK because I’ll never forget
How she laughed and teased and put it all in perspective,
And made me feel that I belonged.
To her.

Thankyou Lord for giving and taking away.
Please don’t misunderstand, I’m not angry,
Just sad, aching and homesick.
But please give her my love.
And tell her all these things.
She’ll want to know.

1993

 

Unser geliebter Granpa Sperry schrieb seine Briefe in Gedichtform, einmal die Woche. Diesen schrieb er nachdem Tanya, die ein Praktikum für ihr Medizinstudium gerade im Urlaubsort Ilfracombe absolvierte, zum ersten Mal mit ihrem zukünftigen Mann, Paul Goffin, bei Granpa aufgetaucht war:

„As I sit again in this small room
with your sister from Ilfracombe,
She came in last night with such a rush,
With a boyfriend on whom she has a crush!
I can tell you, I had such a fright,
She has a new hairstyle, what a sight!
But I can tell you she is bright and breezy
Makes my life so happy, lazy and easy,
Will take her at lunch time to have a meal
Feel certain sure to her that will appeal.
But very shortly, all over with fun and mirth,
For on Tuesday she’s going, we’ll be back to earth.
As you realize, she will be really slick,
Learning how to help and care for the sick.
This effort to you must seem poor,
Surely I have written better ones before.
So now I think as I sit on this chair,
If you don’t read it, I don’t really care,

But love you and bless you, your Granpa“

 

Hintergründe zu Nigeria
Nigeria der 60er Jahre. Ein wunderschönes afrikanisches Land, das an Benin, Niger, Tschad und Kamerun grenzt, dessen Südküste atemberaubende Strände an der Atlantik zu bieten hat. Nigeria war damals schon das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Afrikas, das sich durch die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht 1960 einen großen Befreiungsschlag in Selbstbestimmung und Wohlstand hinein erhoffte. Leider entpuppte sich die heiß ersehnte Demokratisierung als viel schwieriger als gedacht, bis heute sind politische Prozesse mit Korruption und Geldgier durchsetzt. Die Entdeckung von Öl in den südlichen Gefildern Nigerias hätte das Land zu einer wahren Goldgrube verwandeln können… Während der Reichtum in ein paar wenigen Taschen hängenblieb und ein Luxusleben der Lagos-Elite finanzierte, erblickten aber arme Dorfbewohner keinen Cent davon. Auch vor der Entdeckung des Öls war Nigeria ein giftiges Cocktail von sozialen und religiösen Spannungen, die z.T. Jahrhunderte zurückreichten, vor allem der Konflikt zwischen dem muslimischen Norden und dem christliche-animistischen Süden Nigerias. Die blutigen Szenarios, die wir als Kinder erleben mussten, haben sich in einem finsteren Vermächtnis bei den Kindern und Enkelkindern der sich damals streitenden Parteien wiederholt. Die Großstadt Jos, eine damals beinahe unbekannte Provinzialortschaft in die wir zur Schule gingen, ist heute berüchtigt.


Quelle: wikimedia.org

Die 1861 beginnende Kolonisierung Nigerias durch Großbritannien drängte diesem unterschwelligen Chaos eine künstliche Struktur auf, die grundlegende Probleme aufzuschieben aber nicht aufzuheben vermochten. Nach Abzug der Briten 1960 blieb ein unnatürliches Machtgefüge übrig, das keinen Zusammenhalt hatte und Menschengruppen an einander festbanden, die widersprüchliche Agendas hatten und nichts miteinander gemeinsam hatten.

Auch nach der Unabhängigkeit war es nicht ungewöhnlich, dass britische Familien auswanderten, um dort eine Existenz zu bauen, wobei nur wenige in solche Abenteuer wie unsere hineingerieten! Ob man als Eindringling mit Mißtrauen begrüßt wurde oder nicht, hing von der eigenen Haltung ab. Viele Engländer, v.a. die Missionare, brachten es fertig, die Herzen der Nigerianer binnen kürzester Zeit für sich zu gewinnen. Einige von ihnen setzten alles dran, auch ihren Ruhestand dort zu verbringen, so sehr waren sie mit Land und Leute verwachsen, so fremd war ihnen inzwischen das Leben in Europa. Meine Mutter war eine aus vielen, die den Wechsel zurück in die Zivilisation emotional nicht verkrafteten.